Kunstwerk des Monats
Januar 2023
VIEr ineinandergefügte quadrate, 1990
Marguerite Hersberger (*1943)
Acrylfarbe, Acrylglas
142 x 112 x 2 cm
Inv.-Nr. 4834
In seiner geometrisch-mathematischen Gestalt ist das Werk Vier ineinandergefügte Quadrate charakteristisch für Hersbergers künstlerisches Schaffen, das sich in seinem Ansatz auf den ersten Blick in engster Nähe zu den Zürcher Konkreten um Richard Paul Lohse und Max Bill verorten lässt. Letzterer hatte bereits 1936 die Erweiterung der konstruktivistischen Form- und Farbstudien um die Dimensionen Licht und Raum gefordert. Beide sind für Hersberger zentrale Begriffe, die in ihren Arbeiten das Zusammenspiel von Licht und Raum erforscht. Wie nehmen wir Räumlichkeit wahr? Welche Wahrnehmungsgewohnheiten lenken diesen Prozess? Und was für einen Einfluss hat dabei das Licht? Die Künstlerin beantwortet diese Fragen gerade nicht wie etwa Bill konstruktiv, nach vorgängig formulierten Formeln. Vielmehr ist Vier ineinandergefügte Quadrate das Resultat einer intuitiven Suche nach der Entstehung von Räumlichkeit, wie sie als fragiles Gleichgewicht in der Wahrnehmung erfahrbar wird. Der Bildträger aus Acrylglas wird dabei unter wiederholtem Abschleifen, Zerkratzen und Einritzen um geometrische Farbschichten erweitert. Die hier abgebildete Fotografie des Werks wird den Konzeptionen Hersbergers damit in seiner Zweidimensionalität eigentlich nicht gerecht. Denn im Zwischen von Abtragen und Auftragen von Schichten entsteht so eine doppelte Räumlichkeit. Unmittelbar ist die rein physische, wie sie sich in der Auffächerung der Bildoberfläche offenbart. Der daraus resultierende Kontrast von verschieden transparenten Feldern im Acrylglas erreicht gleichzeitig aber auch eine suggestive Erweiterung der einzelnen Bildflächen in den Raum hinein. Diese manifestiert sich jedoch erst im Wahrnehmungsprozess des Betrachters oder der Betrachterin vor dem Werk – im stetigen Dialog mit Licht und Umraum.
Marguerite Hersberger (*1943) wurde in Basel geboren. Sie besuchte die Schule für Gestaltung in Basel und zog 1970 nach Zürich, dort präsentierte sie erstmals ihre Werke in einer Einzelausstellung. Kurz darauf entstanden ihre Werke Organisation Spatiale (1972), welches auch in der Ausstellung «Acht Räume. Werke aus der Sammlung» zu finden ist, und Polissagen (1973), welches sich ebenfalls in der Sammlung Bosshard befindet. Die Arbeiten von Marguerite Hersberger sind international institutionell vertreten. Gleichzeitig konnte die Künstlerin seit den 1990er-Jahren zahlreiche Kunst-am-Bau-Projekte realisieren, so etwa an der ETH und der Universität Zürich-Irchel. Mit ihrer plastischen Herangehensweise setzt Hersberger bis heute neue Akzente in der Schweiz.
Text: Silvan Benz