Kunstwerk des Monats
Juni 2022
SUNtrust-1, Suntrust-2, inter-continental, sofitel, 2007
Renate Buser (*1961)
Schwarzweiss-Fotografien auf Aluminium
je 12 x 9 x 4.5 cm
Inv.-Nr. 3032–3035
Vier kleine Werke von je 12 mal 9 Zentimeter, Foto-Negative, die mit einer Grossbildkamera aufgenommen wurden. Schwarzweiss-Fotografien von massiven, sperrigen Gebäuden füllen den kleinen Raum der Aluminiumplatten. Dieser Kontrast, das Spiel mit den Massstäben, die Kontroverse um die Grösse, weckt sofort den Wunsch, die Bilder aus der Nähe zu betrachten und in diese Realität einzutauchen. Die Beugung des Blattes macht die gedruckten Fotografien von drei verschiedenen Hotels in Miami, Tokio und Berlin dreidimensional und fügt realistische Räumlichkeit hinzu. Jedes Foto umfasst ein Narrativ, eine spannende Geschichte über die Vergangenheit dieser Gebäude. Der Erschaffungsprozess war eine lange Suche nach dem richtigen Blickwinkel und eine umfassende Arbeit mit Perspektive und Umgebung. Die Fotos wurden von gegenüberliegenden Gebäuden aufgenommen. Die Fotografin wählte einen zentralen Punkt aus, um die ganze Tiefe und Schönheit des architektonischen Konzepts zu zeigen.
Renate Buser, eine konzeptionelle Fotokünstlerin, arbeitet meist grossformatig. Ihre oft mehrere Meter langen Fotoarbeiten und Installationen werden zum Beispiel Teil der Fassade eines Gebäudes und sind in das eigentliche Konzept des Gebäudes integriert. Die daraus resultierende Metamorphose ist faszinierend – ein architektonisches Objekt erhält plötzlich ein zweites Leben, erwirbt eine neue Form der Existenz. Dieses Schaffen von Renate Buser macht die hier präsentierte Werkserie noch ungewöhnlicher, da die Arbeit in diesem kleinen Format nicht typisch für sie ist. Renate Buser interessiert sich dafür, wie Fotografie in einem offenen Raum lebt, wie sich eine Kunstinstallation in ihre Umgebung einfügt. Aber die umgekehrte Frage ist nicht weniger interessant: wie würde sich ein Foto in einem begrenzten Raum verhalten, in einem kleinen, von vier Wänden umgebenen Zimmer. Sie experimentiert weiter mit Grösse und Form. Ihre Werke sind normalerweise nicht in Museen und Galerien zu sehen, da der grossformatige Druck zu einer Erweiterung des Gebäudes wird. Idee und Ziel ist es, die Symbiose zwischen den beiden Texturen zu zeigen – die Fassade des Gebäudes und die fotografische Arbeit, welche die Vision der Künstlerin widerspiegelt.
Renate Buser interessiert sich für die monumentale, brutalistische Baukunst. Dieser Baustil steht für die dominierende Architektur zwischen 1960 und dem Anfang der 1980er Jahre. Der Brutalismus ist geprägt von der Verwendung von Sichtbeton, der Betonung der Konstruktion, simplen geometrischen Formen und meist sehr grober Ausarbeitung und Gliederung der Gebäude. Renate Buser wird durch das gepresste Volumen der Architektur, die Massivität der Struktur, die deutlichen Konturlinien sowie durch die Klarheit und Verständlichkeit des architektonischen Konzepts inspiriert. Fast alle ihre Werke sind absichtlich in Schwarz-Weiss gehalten. Farbe lenkt für Renate Buser von der Architektur des Gebäudes ab. Das monochrome Konzept der Werke hebt die architektonische Gestaltung hervor und kristallisiert den Kontext der Bauidee heraus. Mit der Verwendung von Schwarz und Weiss, dem Spiel von Licht und Schatten und dem gewählten Blickwinkel der Fotografie, schafft Renate Buser ungewöhnliche Wahrnehmungen und differenzierte Visionen der Gebäude. Sie erzählt die Geschichte derselben und gleichzeitig macht sie aus dem bereits Vorhandenen und Vertrauten etwas Neues.
Renate Buser ist 1961 in Aarau geboren. Von 1984 – 88 absolvierte sie das Lehramt für Bildende Kunst an der Schule für Gestaltung in Basel. Von 1985 – 1988 studierte sie an der Accademia di Belle Arti in Venedig. Nach mehreren Stipendien beginnt sie sich mit Fotografie und Baukunst zu beschäftigen. Seit Anfang der 1990er-Jahre arbeitet Buser mit künstlerischen Interventionen im öffentlichen Raum und ist seit 2005 Dozentin für den Studiengang Fine Arts an der Hochschule der Künste in Bern. Renate Buser wohnt und arbeitet in Basel.
Text: Alina Gnatyshina.