Kunstwerk des Monats
Juni 2025

Metzgerschürze, 1977

Heidi Bucher (1926–1993)
Textil, Latex, Perlmutt, Bambus, Draht
160 x 120 cm
Inv.-Nr. 2513

Ein Relikt aus einer anderen Zeit. In Metzgerschürze III verwandelte Heidi Bucher ein funktionales Kleidungsstück in ein geheimnisvolles Kunstobjekt. Ausgangspunkt war eine gebrauchte Metzgerschürze, die sie mit flüssigem Latex einbalsamierte und nach dem Trocknen mit schimmernden Perlmuttpigmenten überzog. Die Metzgerschürze III wird durch diesen Prozess ihrer ursprünglichen Funktion enthoben. Einst Sinnbild einer zweckgebundenen, männlich dominierten Arbeitswelt, erfährt sie durch Buchers Eingriff eine radikale Umdeutung.

Der Akt des Eingiessens bzw. Einbalsamierens entmachtet, entgrenzt, kontextualisiert neu – die Schürze wird zur Trägerin von Erinnerung, Verletzlichkeit und Befreiung. Auf der Oberfläche der Rückseite platzierte Bucher einen kleinen Fisch – ein Symbol der Metamorphose sowie ein Motiv, das in ihren Werken immer wieder auftaucht und sich als persönliches Signet der Künstlerin lesen lässt.

Metzgerschürze III entstand 1977 in Buchers Atelier, das sie in einer ehemaligen Metzgerei in Zürich einrichtete. Den fensterlosen Kühlraum verwandelte sie in den sogenannten «Borg» – ein Ort der Ge-«Borg»-enheit und der Selbstfindung. Dort entwickelte sie ab 1976 auch eine künstlerische Praxis, die sie selbst als «Häuten» bezeichnete: Mit Latex nahm sie Abdrücke von Räumen, löste diese ab und schuf daraus fragile Häute, in denen sich materielle wie emotionale Spuren eingeschrieben haben. Für Bucher war dies ein ritueller, performativer Akt der Aneignung und Auflösung von Vergangenem.

Buchers Oeuvre kann als Akt der Selbstermächtigung gelesen werden. Auch die Schürze wird dabei zur Projektionsfläche für Fragen nach Identität, Geschlechterverhältnissen und Erinnerung. In ihrer feinen Oberfläche spiegelt sich der Wunsch, alte Ordnungen zu durchbrechen.

Heidi Bucher (1926–1993) wurde in Winterthur geboren und wuchs in einem grossbürgerlichen Elternhaus auf. Nach einer Schneiderlehre studierte sie an der Kunstgewerbeschule Zürich Mode. Dort setzte sie sich mit Farb- und Formtheorien des Bauhauses sowie mit der dreidimensionalen Gestaltung in der Textilkunst auseinander. Nach mehreren Jahren im Ausland kehrte sie in die Schweiz zurück und entwickelte ihre charakteristische künstlerische Praxis des «Häutens».

Text: Sophia Vogt